Als Alfons Thielkes im Jahr 1996 seinen Caravan-Handel mit 20 gebrauchten Fahrzeugen eröffnete, da war ihm sicher nicht bewusst, dass sich aus den bescheidenen Anfängen ein Vierteljahrhundert später unter Mitwirkung der gesamten Familie einer der fortschrittlichsten und vorbildlich digitalisierten Betriebe der Caravan(ing)-Branche mit einem jährlichen Verkaufsvolumen von circa 1.600 Fahrzeugen entwickeln würde.
Text: Peter Hirtschulz. Fotos: Claus-Detlev Bues
Thielkes sind eine Caravan-Familie durch und durch. Vater Alfons war begeisterter Camper und folglich wurde auch die ganze Familie von diesem Virus infiziert. Im Jahr 1996 machte Vater Alfons sein Hobby zum Beruf. Der passionierte Handelsvertreter von technischem Equipment für Kernbohrungen eröffnete seinen eigenen Caravan-Handel. Beginnend mit durchschnittlich 20 gebrauchten Caravans erweiterte er 1998 sein Angebot mit den ersten Neufahrzeugen, damals nur Caravans von LMC. Der Betrieb florierte und so expandierte Thielkes und zog 1999 nach Bocholt. Dort installierte er einen neuen 6.000 Quadratmetern großen Betriebssitz mit Handelsfläche und Werkstatt. Markentechnisch fokussierte Thielkes sich mit Beginn der 2000er Jahre auf die Caravans von Fendt und Hobby. Den Reisemobil-Bereich deckten zunächst Rapido, Frankia, später Carthago, Knaus und letztendlich Weinsberg ab.
Von Kindesbeinen an waren die Thielkes-Kinder, Tochter Anna Maria und die Söhne Christian sowie Benedikt nicht nur begeisterte Camper, sondern ebenso mit diversen (Hilfs)Arbeiten in den Betrieb eingebunden. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends waren sie dann erwachsen genug, um in den Betrieb hauptberuflich einsteigen zu können. Der Älteste, Christian Thielkes, war zunächst im Vertrieb tätig. 2013 erwarb der gelernte Automobilkaufmann einen 30-prozentigen Anteil am Unternehmen und hatte bis zum Tod des Vaters im Jahr 2017 gemeinsam mit dem Firmengründer die Geschäftsführung inne. Seitdem agiert er zusammen mit seinem Bruder, Schwester Anna Maria und Prokurist Simon Böing. Seine Schwester Anna Maria leitet seit 2010 den Servicebereich, und Benedikt Thielkes organisiert seit 2015 gemeinsam mit Meister Michael Schmeink, die Werkstattorganisation. Die kaufmännische Leitung obliegt dem Prokuristen Simon Böing, einem Freund der Familie, der seit Beginn an zusammen mit Vater Alfons arbeitete.
Das digitalisierte Unternehmen
Mit Eintritt der Kinder wurde nicht nur das Erbe von Vater Alfons am Leben erhalten, es wurde zudem die Prämisse ausgegeben, den Betrieb aufgrund der hohen Nachfrage zu erweitern und vor allem digital zu modernisieren. Was sich relativ einfach anhört, war ein umfassender Prozess, bei dem jedes der Kinder seine Fähigkeiten einbrachte und letztendlich unglaubliche Erfolge erzielten. Diese Erfolge basieren auf einer gemeinsamen Unternehmensphilosophie, das Unternehmen mit Handel, Werkstatt und Service so aufzustellen, dass ein Höchstmaß an Standardisierung und Digitalisierung eine bestmögliche Effizienz bei allen Arbeitsabläufen und sonstigen Prozessen ermöglicht. Kurz zusammengefasst: beim Caravan-Center Bocholt weiß, neben einem komplett durchorganisierten Warenwirtschaftssystem, absolut jeder Mitarbeiter(in), was der oder die andere macht. Jeder weiß, dank eines QR-Code-Systems, wo sich auf dem Gelände welches Fahrzeug befindet, egal ob es im Handel oder in der Werkstatt steht. Und jeder weiß in welchem Verkaufs- respektive Werkstatt-/Service-Stadium es sich befindet – bei durchschnittlich 900 Einheiten auf dem Gelände eine optimale Leistung.
Für dieses System ist eine optimale IT notwendig. Hier kommen Christian Thielkes und Simon Böings Fähigkeiten zum Tragen. „Als ich in das Unternehmen eingestiegen bin, war unsere IT-Infrastruktur nicht auf dem aktuellen Stand. Das konnte man nicht nur daran erkennen, dass wir vielfach noch Nadeldrucker im Einsatz hatten. Auch die implementierten Systeme waren unseren Anforderungen und dem Wachstum des Betriebs nicht mehr gewachsen. Durch den Einsatz verschiedener Einzelsysteme für Buchführung, Warenwirtschaft und Personalabrechnung sowie zahlreicher Excel-Tabellen und einer nicht verknüpften Dokumenten-Management-Software konnte es passieren, dass ein Fahrzeug in fünf verschiedenen Systemen gleichzeitig erfasst war. Und für eine Integration der Anwendungen fehlten die entsprechenden Schnittstellen“, erklärt Christian Thielkes.
Nach dieser Bestandsaufnahme war klar, dass die IT-Systeme des Betriebs dringend modernisiert werden mussten – mit einer Lösung, die alle Geschäftsbereiche zentral steuert und verwaltet. Diese Anforderung wurde durch das schnelle Wachstum des auf den Verkauf, die Vermietung und die Reparatur von Wohnmobilen und Wohnwagen spezialisierten Unternehmens noch verstärkt. „Als wir binnen kürzester Zeit 150 neue Kunden hinzugewonnen hatten, war für uns klar, dass wir handeln mussten. Um unseren Kunden auch in Zukunft den geforderten Service bieten zu können, brauchten wir schnellere und effizientere Abläufe. 2015 wurde daher die Business-Management-Lösung Sage X3 eingeführt und im Zuge dessen Prozesse wie Fahrzeugbestandsaufnahme, Warenwirtschaft und Buchhaltung nach und nach digitalisiert“, so Thielkes. Heute überwachen und (weiter)entwickeln zwei festangestellte IT-ler das gesamte System.
Parallel zur IT wurde die Erweiterung des Betriebssitzes vorangetrieben. Nicht weit entfernt vom damals aktuellen Firmensitz Harderhook kauften die Thielkes im Jahr 2018 ein neues Gelände unter hohen Nachhaltigkeits- und Umweltauflagen von der Stadt Bocholt. So sind die neuen Immobilien mit Solaranlagen inklusive Speicher ausgestattet. Die Fahrzeug-Waschstraße verwendet Regenwasser. Die Parkflächen haben Rasengitter als Untergrund, der hauseigene Fuhrpark basiert weitestgehend auf E-Mobilität, eine 6.000 Quadratmeter Wildwiese, Vogelhäuser und circa 180 Bäume werden von den Thielkes tagtäglich gehegt und gepflegt – Naturschutz pur.
Die Belegschaft
Gehegt und gepflegt wird auch die gesamte Belegschaft, die mittlerweile mehr als 100 Personen umfasst. Im Caravan Center Bocholt herrscht Gleichberechtigung und Mitspracherecht. Das ist nicht nur eine Floskel, sondern wird aktiv von der vierköpfigen Geschäftsführung eingefordert. Im gesamten Betrieb herrscht eine flache Hierarchie. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem eine kontinuierliche Kommunikation, um für jeden Orientierung zu bieten und mögliche Bedenken sowie Ängste auszuräumen. Dazu Benedikt Thielkes: „Wichtig ist, Fehler zuzulassen und Experimente zu ermöglichen, die auch einmal schief gehen können“. Und Anna Maria Thielkes ergänzt, „Eine ausgeprägte Fehlerkultur, der Austausch auf Augenhöhe, eine freundschaftliche Arbeitsatmosphäre, flache Hierarchien und der persönliche Kontakt zu Kunden und Lieferanten: All diese Dinge waren unserem Vater immer sehr wichtig – und auch wir Geschwister stehen voll dahinter. Diese Firmenkultur beizubehalten, hat zudem dazu beigetragen, dass wir unsere Mitarbeiter bei der Digitalisierung problemlos ins Boot holen konnten“. Jede Woche gibt es abteilungsweise Meetings in denen die jeweilige Belegschaft ihre Erfahrungen, Probleme, Verbesserungsvorschläge und arbeitsplatzspezifische Kommentare abgeben muss. Auf diesen Kommentaren basieren dann die Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Bereiches und zur Abstellung eventueller Stör- und Fehlerquellen.
Neben dieser unternehmenswichtigen „zwischenmenschlichen“ Verständigung liegt die Stärke des CC-Bocholt in einem allumfassenden digitalen Kommunikationssystem. Alle Mitarbeiter besitzen ein Firmen-iPhone und je nach Position zusätzlich ein Laptop sowie einen hochmodernen Arbeitsplatz mit Computer. Vom Pförtner bis zum Geschäftsführer kann so jeder Mitarbeiter über das Handy respektive die dafür entwickelte hauseigenen APP alle relevanten Informationen zu allen Arbeits- und Unternehmensabläufen einsehen.
Die Werkstatt
So berichtet Anna Maria Thielkes für den Service- und Werkstattbereich: „Jedes Fahrzeug, das in Bocholt auf den Hof fährt, wird bei einer der 15 Servicestationen mittels QR-Code registriert und mit einem digitalen Aufgabenbericht ausgestattet, der sofort einem Meister beziehungsweise der Werkstattleitung auf das Handy oder Tablet präsentiert wird. Nach dieser arbeitstechnischen Aufnahme kommt im wahrsten Sinne des Wortes die nächste Aufnahme: Jedes Kundenfahrzeug durchfährt einen Scanner, der 200 Aufnahmen des Fahrzeuges erstellt, um während des Aufenthaltes des Fahrzeuges in Bocholt eventuell entstandene Schäden dokumentiert respektive auszuschließt. Dazu bekommt jedes Fahrzeug einen QR-Code, der ab da unveränderlich mit dem Fahrzeug als Identifizierung verbunden ist. Beim Verlassen des Firmengeländes nach Abschluss aller Arbeiten durchfährt das Fahrzeug eine weitere Schleuse mit 200 weiteren Aufnahmen“. Ein einzigartiges Kontrollsystem für das Center und die Kunden.
Während des Reparatur- oder Service- Aufenthaltes dokumentiert das QR-Code-System, für jeden einsehbar, wo das Fahrzeug auf dem Gelände steht und in welchem „Arbeitszustand“ es sich befindet. Nach einem geregelten Kreislauflauf wird es dann der Werkstatt zugeführt. Zum Arbeitsprozess bei der Installation von Zubehör oder bei Reparaturarbeiten gehört dazu, dass die Fahrzeuge automatisch einen Bremsen-Kontrollstand durchlaufen oder speziell bei Zubehörarbeiten, dass die Fahrzeuge gewogen werden. Beide Vorgänge zum Wohle der Kunden, die damit wissen in welchem Zustand (Bremsen/Gewicht) sich ihr Fahrzeug befindet.
Die Werkstatt wird gespeist von einem Lager mit chaotischer Lagerhaltung. Bedeutet, eine dynamische Lagerhaltung oder Freiplatzsystem, bei der den Produkten kein fester Lagerplatz zugewiesen wird. Stattdessen werden Produkte schnell und unkompliziert am nächstbesten freien Lagerplatz eingelagert. Dazu Christian Thielkes: „Überwacht wird die Verfügbarkeit beziehungsweise Lagerung durch unser computerisiertes System, das ein tägliches Update durchführt. Auf diesem digitalisierten Warenwirtschaftssystems und auf den Werkstatt-Erfahrungswerten basierend wird für jeden Arbeitsvorgang automatisch ein Arbeitswagen mit allen für den Reparatur- oder Zubehör-Prozess notwendigen Materialien bereitgestellt.“
Interessant ist auch, dass jedes Fahrzeug von fast jedem (80%) der 27 Werkstatt-Mitarbeiter (ausgenommen Spezialaufgaben wie zum Beispiel die hauseigene, hochmoderne Einbrennlackierkabine) bearbeitet werden kann. So ist der Arbeitsablauf unabhängig von der Präsenz der Belegschaft – jeder freie Kollege kann den nächsten anstehenden Auftrag durchführen. Nach Abschluss aller Arbeiten, die jeweils nach jedem Stadium in der APP gemeldet werden, übernimmt ein Meister die Abnahme gemäß Qualitätsmanagement-System. Übrigens ermöglicht das digitalisierte System schon bei der Auftragsannahme, dass Kundenwünsche nach besonderen Prüfungen und die Involvierung eines bestimmten Meisters berücksichtigt werden. Aktuell bewältigt die Werkstatt-Organisation wöchentlich circa 300 Aufträge. Laut Thielkes ist damit die Nachfrage noch lange nicht befriedigt.
Und wie sieht es mit der Verfügbarkeit von Personal aus? Dazu Benedikt Thielkes. „Wir haben keine Probleme. Wir fokussieren uns auch nicht auf speziell ausgebildete Caravan-Techniker. Viele unserer Werkstatt-Kollegen sind Schreiner, Kfz-Mechaniker und ähnlich Ausgebildete, die wir dann für unseren Caravan-Bereich speziell weiterbilden. Es ist eine Win-Win-Situation. Wir profitieren von deren Know-how aus anderen Bereichen und sie profitieren von unserem Know-how. Wichtig ist allerdings, dass sie menschlich zu uns passen, und engagiert ihre Arbeit machen. Wir bieten ein professionelles System und hochmoderne Arbeitsplätze mit neuestem Werkzeug. Dieses Angebot und Umfeld sind für viele fast schon wichtiger als die Bezahlung.“ Apropos Bezahlung. Im Caravan Center Bocholt gibt es keine Verkaufsprovision. Alle Mitarbeiter werden transparent nach Aufgaben und Kompetenz bezahlt.
Der Handel
Der Handel mit Neu- und Gebrauchtfahrzeugen ist ebenfalls komplett durchorganisiert. Alle Fahrzeuge durchlaufen die oben bereits beschriebene Aufnahme-Prozedur mit Scanner-Schleuse und QR-Code-Registrierung. In der Regel stehen etwa 130 Neufahrzeuge in der Halle und weitere 400 auf einem angegliederten Gelände neben der Halle. Dazu kommen durchschnittlich 60 – 80 gebrauchte Fahrzeuge.
Die Marken Hobby und Fendt bilden das Herzstück. Vorbildlich, von diesen beiden Marken werden jederzeit absolut alle verfügbaren Modelle vorgehalten. Der Kunde hat so stets den kompletten Überblick und kann jedes Modell vor Ort besichtigen. Ausstellungsfahrzeuge werden nur verkauft respektive ausgeliefert, wenn zum gleichen Zeitpunkt der gleiche Grundriss oder das neue Modell vor Ort steht. Dabei kauft das Caravan Center Bocholt beim Hersteller zumeist eine möglichst „nackte“ Ausführung, damit jeder Kunde beim Kauf dann seine gewünschte Ausstattung mit entsprechendem zumeist standardisiertem Zubehör bestellen kann. Abgerundet wird das „reisemobile“ Neufahrzeug-Portfolio beim Caravan Center Bocholt durch die Marken Carthago, Frankia, Challenger, Hobby, Knaus und Weinsberg. Auch wenn das Caravan Center im Reisemobil-Bereich aufgestellt ist, so ist doch bemerkenswert, dass der Handelsbetrieb sein Geschäft zu 70 Prozent mit Caravans betreibt.
Diese fokussierte Neuwagen-Politik, die perfekte Werkstatt-Organisation, die durchgängig optimierte Digitalisierung für alle Produkte und Prozesse sowie die konsequent durchgehaltene Standardisierung, bei Arbeitsabläufen und eingesetzten Materialien, sind entscheidende Säulen für die vorbildliche Geschäftsführung und das sehr erfolgreiche Geschäft des Caravan Center Bocholt.