Innovation und Tradition sind unsere Stärken
Bernd Löher, Geschäftsführer von Hobby, kam vor drei Jahren an die Spitze von Europas führendem Freizeitfahrzeug-Hersteller und musste unterschiedliche Herausforderungen, aber auch Chancen in Pandemie-Zeiten bewältigen
Text: Antonio Mazzucchelli, Fotos: Enrico Bona
Hobby und Fendt sind zwei Unternehmen mit einem hohen Produktionsanteil an Wohnwagen. In Zukunft möchte Hobby stärker im Segment der Reisemobil und Campervans wachsen. Der Gründer, Harald Striewski, ist immer noch der Eigentümer dieser europäischen Gruppe, hat aber die operativen Aufgaben an seine beiden Geschäftsführer delegiert. Einer von ihnen ist Bernd Löher, den wir auf dem Caravan Salon 2022 in Düsseldorf interviewen durften.
Camper Professional: Herr Löher, können Sie uns mehr über sich erzählen?
Bernd Löher: Ich bin 53 Jahre alt und arbeite seit 2003 in der Caravaning-Branche. Angefangen habe ich als kaufmännischer und technischer Leiter bei Dometic Light Systems. Später war ich für das RVOE-Geschäft in Deutschland zuständig, bevor ich die Verantwortung für das RVOE Geschäft im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) übernahm. In den letzten Jahren bei Dometic war ich zudem Mitglied des EMEA-Managements und Geschäftsführer von zwei Produktionsstandorten. Gleichzeitig leitete ich das Produktmanagement für Dometic EMEA, nicht nur für die Caravaning-Industrie, sondern auch für den Einzelhandel, die Automobilbranche und die Hotellerie.
Vor drei Jahren fasste ich den Entschluss, etwas Neues zu beginnen. Ich hatte schon immer ein sehr gutes Verhältnis zu Harald Striewski. Das war ein entscheidender Punkt für mich, als ich beschloss, für Hobby zu arbeiten und Dometic zu verlassen. In typischer Hobby-Manier war es damals ein Handschlag-Deal, nicht mehr und nicht weniger. Am 1. Februar 2020 fing ich bei Hobby an. Aber die Situation war zunächst ziemlich schwierig. Es war der Beginn der Pandemie. Eine meiner ersten großen und schwierigen Entscheidungen war dann im März 2020, als wir das Werk wegen der Covid-Pandemie schließen mussten. Nachdem wir die richtigen Maßnahmen ergriffen hatten, um mit Corona zu arbeiten und zu leben, konnten wir uns auf die Produktentwicklung konzentrieren, unsere Produktpalette differenzieren und neue Produkte wie den Maxia und den Beachy auf den Weg bringen. Es ist schon ein Vorteil, wenn man für ein privates Unternehmen arbeitet: Es gibt sehr schnelle Entscheidungsprozesse und Harald Striewski als Inhaber hat mich immer ermutigt, neue Projekte und Ideen voranzutreiben.
Camper Professional: Hobby hat zwei Geschäftsführer und einen Inhaber: Was sind die jeweiligen Fachgebiete? Inwieweit ist der Gründer und Inhaber noch aktiv an der Leitung des Unternehmens und den entsprechenden Entscheidungen beteiligt?
Bernd Löher: Eigentlich ist Herr Striewski nicht mehr in das Tagesgeschäft involviert, aber immer noch sehr stark in das Design der Wohnwagen eingebunden. Daher ist die Führung ziemlich klar: Er ist der Inhaber, Holger Schulz ist mein Geschäftsführungskollege und für die Bereiche Vertrieb, Marketing und Aftersales zuständig. Ich kümmere mich um die Produktion, die IT, Personal, die Forschung und Entwicklung, sowie das Unternehmen als Ganzes.
Camper Professional: Wie groß ist Hobby heute und wie hat sich die Produktion im Laufe der Jahre entwickelt?
Bernd Löher: Das aktuelle Produktionsvolumen für Hobby liegt bei 12.000 bis 13.000 Wohnwagen, und weiteren 10.000 Wohnwagen für Fendt. Das heißt, wir sind im Bereich der Wohnwagen europaweiter Marktführer. In der Spitze waren es in den vergangenen Jahren sogar 20.000 Einheiten bei Hobby. Unter den heutigen Produktionsbedingungen sind wir sehr agil und können uns sehr schnell auf die aktuellen Marktsituationen anpassen, natürlich immer unter Berücksichtigung der aktuellen Einschränkungen bzgl. der Lieferketten.
Camper Professional: In einer Welt, die von börsennotierten Großkonzernen dominiert wird, sind Hobby und Fendt als Familienunternehmen ursprünglich geblieben: Welche Vor- und Nachteile hat das?
Bernd Löher: Der größte Vorteil, den wir haben, ist, dass wir sehr agil sind. Wir können unsere eigenen Entscheidungen treffen, und die Entscheidungsfindung ist sehr schnell, was auch von unseren Partnern/Lieferanten geschätzt wird.
Hobby und Fendt waren immer sehr zuverlässige Partner für unsere Lieferanten, was auch Teil unserer Vision & Mission ist. Bis jetzt habe ich noch keine Nachteile eines privat geführten Familienunternehmens, im Vergleich zu Konzernen, feststellen können.
Camper Professional: Bei steigenden Produktionskosten, galoppierender Inflation und unterschiedlichen Lieferkettenproblemen hat der deutsche Markt trotzdem einen Absatzrekord verzeichnet. Was erwarten Sie für die Zukunft?
Bernd Löher: Wir denken, dass wir in den nächsten Jahren das Marktniveau erreichen werden, das wir in den Jahren 2017 bis 2018 erreicht haben. Das bedeutet, dass der Markt ein wenig zurückgehen wird. Im Bereich der Wohnwagen erwarten wir, dass der Markt in Europa irgendwo zwischen 70.000 und 80.000 Einheiten liegen wird. Angesichts der Herausforderungen bei den Lieferketten, der geopolitischen Unsicherheit und der Inflation, die bis Ende dieses Jahres voraussichtlich 10 % erreichen wird (,) sowie der enormen Energiekosten, können wir bereits jetzt eine gewisse Veränderung des Verbrauchervertrauens feststellen. Die Menschen sind etwas vorsichtiger und zurückhaltender geworden, bevor sie einen neuen Wohnwagen oder ein Wohnmobil kaufen.
Camper Professional: Glauben Sie, dass die steigenden hohen Preise für Wohnmobile zu einem größeren Interesse an Wohnwagen führen könnten?
Bernd Löher: Ich bin mir nicht sicher, ob die hohen Preise für Reisemobile zu einem größeren Interesse an Wohnwagen führen werden. Für mich ist es wichtiger, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren passiert, wenn ab 2035 die Verbrennungsmotoren verboten werden. Wir als Branche müssen uns diesen neuen Herausforderungen stellen. Die meisten Chassis-Hersteller arbeiten bereits an Elektrofahrzeugen. Die Frage ist nur, inwieweit sie für die Branche geeignet sind. Welche Reichweite kann man mit einem batteriebetriebenen Wohnmobil erzielen? Ich denke, dass Wohnwagen eine Art Renaissance erleben werden, weil man einen Wohnwagen in Bezug auf Größe und Gewicht viel schneller anpassen kann. Aus diesem Grund haben wir den Beachy Air mit einem Zielgewicht von 500-600 kg entwickelt, so dass man diesen Wohnwagen auch mit einem Elektroauto ziehen kann. Der Trend scheint eindeutig, wenn man sich die Zulassungen von PKW’s anschaut. Vor allem in Skandinavien sind die meisten neuen Fahrzeuge E-Autos. Also ist es eine Herausforderung für die Industrie, sich an die neue Realität anzupassen.
Camper Professional: Sie sind ein europäischer Hersteller, der den Wohnwagen als Hauptbestandteil seiner Produktpalette beibehalten hat: Ist dies auch in Zukunft der Fall?
Bernd Löher: Unser Ziel ist es, unseren Marktanteil bei den Wohnwagen zu halten. Aber Hobby hat gute Chancen, das Reisemobilgeschäft weiter auszubauen, da unser aktueller Marktanteil bei den Reisemobilen eher gering ist. Das ist eine Säule unserer zukünftigen Strategie.
Camper Professional: Sind Hobby und Fendt völlig unabhängige Marken oder gibt es interne Synergien in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Einkauf und Vertriebsnetz?
Bernd Löher: Natürlich haben und nutzen wir Synergien. Wir führen diese, Schritt für Schritt, mehr und mehr zusammen, so dass wir aus der Forschung und Entwicklung sowie dem Einkauf das bestmögliche Ergebnis für unsere Gruppe erzielen können. Generell halten wir aber die DNA beider Marken getrennt und werden sie nicht vermischen. Die Synergien werden nur im Hintergrund genutzt.
Camper Professional: Wie haben Sie die Produktion Ihrer Reisemobile und Campervans umgestellt, um dem Mangel an Basisfahrzeugen zu begegnen?
Bernd Löher: Wir haben unsere Produktionslinien umorganisiert, um Engpässen bei den Chassis zu bewältigen. Heute zeigen unsere Produktionslinien eine hohe Flexibilität, was auch mit der hohen Wertschöpfungstiefe bei Hobby zusammenhängt. Das Hauptaugenmerk von Hobby liegt jedoch stets auf der Einhaltung der Lieferzeiten gegenüber unseren Kunden, auch wenn wir dafür die Effizienz in unserer Produktion einschränken müssen.
Camper Professional: Gibt es auch im Wohnwagen-Bereich Probleme in der Lieferkette?
Bernd Löher: Es gibt aktuell verschiedene Herausforderungen was die Lieferketten angeht, wie beispielsweise bei Fenstern, Kabeln und Kabelbäumen, Elektronik an sich, Sperrholz, Aluminium usw. Im Moment sieht es so aus, dass die Lieferketten, mit Ausnahme der Chassis, etwas stabiler ist, aber immer noch weit davon entfernt, zuverlässig zu sein. Wie bereits erwähnt, haben wir den Vorteil einer sehr hohen vertikalen Wertschöpfungskette, da wir viele Dinge selbst herstellen, wie beispielsweise Chassis für Wohnwagen, sodass wir ein wenig unabhängiger sind. Das hat uns in den letzten 2 Jahren sehr geholfen, und wir werden diese Strategie beibehalten. Wann immer es möglich ist, entscheiden wir uns dafür, selbst „herzustellen“ statt „zu kaufen“. Darüber hinaus haben wir außerdem unsere eigene Möbelfirma.
Camper Professional: Mit der Serie Maxia haben Sie einen sehr modernen, minimalistischen Stil für die Inneneinrichtung eingeführt. War das eine mutige Entscheidung oder war es an der Zeit, eine neue Art von Kunden mit weniger traditionellem Geschmack zu bedienen?
Bernd Löher: Einer der Zielmärkte für Maxia ist Skandinavien. Deshalb haben wir dieses minimalistische Design entwickelt. Aber auch im Maxia kann man die Hobby-DNA sehen und fühlen, denn das ist unsere Herkunft. Mit unserem Maxia decken wir auch andere Marktsegmente ab und erfüllen die Nachfrage nach einem etwas weniger traditionellen Geschmack. In Skandinavien kommt der Maxia-Stil sehr gut an, man liebt das Design und die Einfachheit, sowie die klare Möbelstruktur.
Camper Professional: Die Entwicklungsprojekte auf Volkswagen im Mobilbereich sind neu für Hobby. Wird es in naher Zukunft weitere Modelle geben?
Bernd Löher: Wir haben eine langfristige Zusammenarbeit mit VW vereinbart. Ein Ergebnis aus dieser Kooperation haben wir auf dem Caravan Salon gezeigt: der IDBUZZ zusammen mit dem dazugehörigen Beachy Air. Es werden noch weitere Innovationen kommen, seien Sie gespannt.
Camper Professional: Beachy ist ein „bahnbrechendes und transversales“ Produkt: Ist es nur ein Marketing-Hebel oder soll es konstante Zahlen bringen?
Bernd Löher: Der Beachy ist kein Marketing-Gag. Unsere Absicht mit dem Beachy ist es, neue Kunden zu finden und #vanlife in die Welt der Wohnwagen zu adaptieren. Der Beachy ist da, um zu bleiben. Innerhalb eines Jahres haben wir es geschafft, eine neue Marke aufzubauen. Es gibt eine eigene Community für den Beachy. Ich weiß gar nicht, wie viele Facebook-Seiten wir inzwischen für den Beachy haben. Ein unglaublicher Erfolg.
Camper Professional: Also ist der Beachy Air nicht nur ein Konzept. Was waren die Antriebe für das Projekt?
Bernd Löher: Ja, der Beachy Air ist mehr als ein Konzept. Alles, was Sie am Beachy Air sehen, ist bereits komplett Konstruiert und wurde maschinell produziert. Es ist kein Prototyp. Der Grund, warum wir den Beachy Air entwickelt haben, ist die E-Mobilität. Wir wollten unbedingt einen leichten Wohnwagen. Was das Design betrifft, so haben wir mit Volkswagen zusammengearbeitet, um ein Erscheinungsbild zu haben, das dem ID Buzz entspricht. Wenn man sich die Außenhülle des Beachy Air anschaut, ist er eher ein Monocoque als ein gewöhnlicher Wohnwagen. Wir haben unter anderem neue Materialien und Produktionsmethoden verwendet. Auch wenn er ein bisschen retro aussieht, ist er im Inneren Hightech und wir werden ihn als Basis für künftige Entwicklungsprojekte bei Wohnmobilen und Wohnwagen nutzen. Dabei wird das Gewicht eine der größten Herausforderungen, die wir in naher Zukunft haben. Besonders wenn wir über batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sprechen. Der Beachy Air hat alle Vorteile in Bezug auf Stil, Gewicht und Funktionalität, so dass man ihn mit einem relativ kleinen Auto und mit einem Standard-Führerschein ziehen kann.
Camper Professional: In welchen außereuropäischen Märkten sind Sie präsent und wie läuft es dort?
Bernd Löher: Wir exportieren nach China, und verkaufen auch nach Japan und Korea. Ich würde sagen, dass diese Märkte im Moment stabil sind. Auch wenn unser Fokus selbstverständlich auf den europäischen Märkten liegt, schauen wir uns parallel nach potenziellen Exportmärkten für Hobby um, um jederzeit auf jede Situation vorbereitet zu sein.
Camper Professional: Wie ist Ihr Händlervertriebsnetz in Deutschland aufgebaut?
Bernd Löher: Wir haben eine einfache und funktionierende „B2B“-Struktur, verbunden mit einer oftmals langen Historie, die wir respektieren. Wir bekommen viele Anfragen von neuen Händlern, aber wir halten zumeist an unserem bestehenden Händlernetz fest. Wie ich schon sagte, ist es Teil unserer Vision & Mission, ein verlässlicher Partner zu sein. Daher erweitern wir das Händlernetz nicht, wenn es nicht notwendig ist. Wenn ein Händler nicht mehr da ist, müssen wir ihn ersetzen, was wir auch tun, aber wir akquirieren keine neuen Händler, nur des zusätzlichen Geschäftes wegen, das wäre nicht fair.
Camper Professional: Welche sind die Hauptprobleme, mit denen Ihre Händler heute konfrontiert sind?
Bernd Löher: Aktuell hätten unsere Handelspartner gerne mehr Fahrzeuge zum Verkauf, denn die Auftragsbücher sind gut gefüllt und es ist aktuell schwierig die große Nachfrage zu befriedigen.
Camper Professional: Es gibt eine neue Art von Kunden, die anspruchsvoller sind. Sind die Händler im Allgemeinen auf diese Art von Kunden vorbereitet?
Bernd Löher: Auf der Messe haben wir festgestellt, dass sich die Kunden eher für teurere Fahrzeuge entscheiden, daher muss das gesamte Nutzererlebnis auch deren Erwartungen entsprechen. Da es keine völlig neue Entwicklung ist, würde ich sagen, dass unsere Händler auf diese neue Art von Kunden gut vorbereitet sind.
Camper Professional: Unterstützen Sie Ihre Händler, indem Sie ihnen helfen, mit Ihnen zu wachsen, zum Beispiel durch Schulungen und Marketingaktivitäten?
Bernd Löher: Ja, wir legen viel mehr Wert auf notwendige Marktinformationen. Wir möchten unseren Händlern die besten Analysen zur Verfügung zu stellen, um sie zu unterstützen. Für den Maxia-Van gibt es zum Beispiel ein spezielles Verkaufstraining. Aber wir hören unseren Handelspartnern auch sehr genau zu, um gemeinsam die richtigen Strategien zu entwickeln. Im Rahmen einer bilateralen Kommunikation können wir sicherstellen, dass wir das von den Kunden erwartete Serviceniveau erreichen. Generell arbeiten wir daran, das Serviceniveau auch auf Händlerseite noch weiter zu erhöhen.