Kommen jetzt alle ins Fernsehen?
Youtube kennt jeder. Und sicher hat jeder auch schon mehr als ein Mal ein Video dort angeschaut. Aber: warum sollte ein Wohnmobil-Händler dort selbst aktiv werden? Wir haben mit zweien gesprochen, die darauf schwören.
Text: Dr. Frauke Hewer
Philipp Anderer, Geschäftsführer von GÜMA in Mannheim und Wertheim, sagt: „Ich liebe Social Media!“. Für ihn war ein Start bei Youtube keine Frage des Ob, sondern des Wann. Die Initialzündung kam dann während der Corona-Pandemie. Als kein Kunde in seine Verkaufsräume kommen durfte, startete er seine Karriere als Youtuber. Dort gehört er zwar nicht zu den Top-Stars. Mit über 24.000 Abonnenten kommt er aber durchaus auf eine relevante Reichweite in der Wohnmobil-Szene.
Wohnmobil-Händler sind Exoten bei Youtube
Die Top-Youtuber in Sachen Reisemobile jedoch sind keine Händler. Von daher kann man sagen, dass Anderer eine Art Exot in diesem Bereich ist. Reichweitenstarke Wohnmobil-Filmer wie zum Beispiel German Television kommen auf über 440.000 Abonnenten. Da ist also durchaus noch Luft nach oben. Auf die ganz große Reichweite hat es Anderer aber gar nicht abgesehen. Aus seiner Sicht lohnt sich so eine Präsenz auf jeden Fall: „Der Erfolg ist zwar schwer zu messen, aber wir wollen unsere Prozesse komplett digitalisieren. Da gehören die Videos einfach dazu.“, so der ambitionierte Unternehmer. Etwas andere Argumente führt Rico Marx, Prokurist und Gesamtbetriebsleiter von DÜMO in Dülmen ins Feld. Mit seinen 12.000 Abonnenten ist auch er kein Youtube-Star. DÜMO zählt an mehreren Standorten insgesamt mehr als 160 Mitarbeiter. Ein Star will er gar nicht sein. Als er im Jahr 2018 das erste Video online stellte, wollte er in erster Linie eine Lücke füllen. „Die Hersteller haben uns bei der Vermarktung nicht ausreichend unterstützt“, so Marx. „Wir brauchten und brauchen Material, das potenziellen Kunden die Fahrzeuge erklärt. Ein Imagevideo mit einem Reisemobil in einer schönen Umgebung vor dem Sonnenuntergang verkauft einfach nicht. Interesse weckt man mit einer ausführlichen Fahrzeugvorstellung.“
Großer Aufwand
Der Aufwand, den die beiden Unternehmen für ihre Youtube-Videos betreiben, ist beträchtlich. Philipp Anderer nimmt sich gemeinsam mit einem Mitarbeiter pro Monat einen halben bis ganzen Tag Zeit für die Produktion und beziffert sein Budget dafür auf etwa drei- bis viertausend Euro im monatlich. Eine externe Produktionsfirma hat er dabei nicht im Boot. Vor der Kamera ist er – nach einigen Experimenten mit seinen Mitarbeitern – meist selbst zu sehen. Bei DÜMO ist das Budget noch größer: Rico Marx beziffert es auf bis zu 100.000 Euro im Jahr, wenn er alle Aufwände nebst eigener Zeit und die der Protagonisten mit einkalkuliert. Anders als Anderer arbeitet er teilweise auch mit einer Produktionsfirma zusammen. Das Besondere an DÜMO TV ist aber, dass auf dem Kanal ganz unterschiedliche Menschen zu sehen sind. Denn Marx und Geschäftsführer Jörn Thyssen sind nicht nur selbst vor der Kamera zu sehen, sondern binden auch ihr Verkauf- und Serviceteam aktiv in die Videos ein. Sie haben für die verschiedenen Marken, die sie vertreten, jeweils Markenbotschafter ernannt, die auch die Reisemobile „ihrer“ Marke selbst vor der Kamera präsentieren.
Das bringt was
„Wir merken, dass das was bringt“, so Marx. „Denn auf unseren Hof kommen Kunden, die gezielt nach den Verkäufern aus den Videos fragen. Das hat es so vor unserer Youtube-Ära nicht gegeben.“ Keiner der Verkäufer aus dem DÜMO-Team muss vor der Kamera stehen. Wer es allerdings aus freien Stücken tut, kann unter Umständen mehr verkaufen. Mit dieser Herangehensweise haben Rico Marx und sein Team gute Erfahrungen gemacht und wollen auch so weiter verfahren. Darüber hinaus möchte man in Zukunft die Themen erweitern. So arbeiten die DÜMO-Youtuber inzwischen an Filmen über Zubehör-Nachrüstung und zu Reisen mit dem Wohnmobil. Auch wenn bei Philipp Anderer von GÜMA der Schwerpunkt eindeutig auf Fahrzeug-Vorstellungen liegt, so gibt es auch bei GÜMA TV andere Themen wie zum Beispiel zur aktuellen wirtschaftlichen Lage auf dem Campingmarkt oder zu technischen Themen wie rund um Satelliten-TV und andere Elektronik-Themen. Fragt man die beiden Youtube-Spezialisten nach ihrer Themen-Planung, so haben sie unterschiedliche Antworten parat.
Themen gehen nicht aus
Rico Marx und sein Team planen ihre Beiträge etwa drei Monate im voraus, haben aber immer offene Ohren für aktuelle Themen, die sie bei Bedarf aufgreifen. Bei GÜMA orientiert man sich für die Inhalte am aktuellen Tagesgeschäft. Übereinstimmend sagen beide Händler, dass ihnen die Themen so schnell nicht ausgehen. Einig sind sie sich auch dabei, dass es Talente vor der Kamera gibt und der eine oder andere sich dort nicht so wohl fühlt. Anderer gibt zu, dass er sich selbst am Anfang noch nicht so sicher fühlte wie er das heute tut. Und das sieht man tatsächlich. Schaut man die älteren Videos, so kann man im Vergleich zu heute eine Steigerung feststellen, hier macht Übung einfach den Meister. Das dürfte so ziemlich auf jeden zutreffen, sodass jeder, der selbst vor der Kamera stehen möchte, sich nicht zu schnell entmutigen lassen sollte. Es braucht einfach ein bisschen Zeit, bis man den richtigen Weg gefunden hat. Es zwingt einen ja auch niemand, gleich das erste Video online zu stellen.
Mehr Sichtbarkeit dank Youtube
Sowohl Rico Marx als auch Philipp Anderer finden, dass sich die Präsenz bei Youtube für sie lohnt. Obwohl das Budget und der Aufwand nicht klein sind, gibt es für beide keinen Weg zurück. „Wir haben eine größere Sichtbarkeit und uns erreichen gezielt Anfragen zu den vorgestellten Fahrzeugen“, erklärt Anderer. „Unbezahlbar ist auch das Feedback zu bestimmten Ausstattungen und konkreten Fahrzeugen. Das erhalten wir direkt von unserer Zielgruppe und können unser Geschäft danach ausrichten. Zusammengenommen zahlt sich das für uns auf jeden Fall aus.“ Rico Marx schätzt ebenfalls den Dialog mit den Kunden. „Wenn sich jemand im Kundengespräch auf ein bestimmtes Video bezieht, ist das für uns eine Bestätigung. Für uns lohnt sich jedes Video, wenn wir dadurch nur ein einziges Fahrzeug mehr verkaufen.“ Bei Philipp Anderer von GÜMA hat man inzwischen so viel Expertise in Sachen Youtube aufgebaut, dass er gemeinsam mit einem Partner gerade eine Produktionsfirma gründet. „Wir bekommen auch Anfragen für Video-Produktionen von anderen Händlern. Darauf haben wir reagiert und werden das bald anbieten. Das ist für uns ein zusätzliches aussichtsreiches Geschäftsfeld.“ So zeigt sich: eine Präsenz bei Youtube lohnt sich für Wohnmobilhändler. Die Zeit wird zeigen, welche Kanäle sich am Ende durchsetzen können und ob schließlich auch die Hersteller entsprechendes Material zur Verfügung stellen werden.