Führungskräfte im Gespräch Zeitungsinterview

Matthias Dingfelder, Fahrzeugakademie Schweinfurt

Die Ausbildungs-Instanz

Die Fahrzeugakademie Schweinfurt ist die Instanz für Aus- und Weiterbildung

Text: Claus-Detlev Bues
Foto Claus-Detlev Bues / FAS

Der Fachkräftemangel hat auch vor der boomenden Caravaning-Branche in Deutschland nicht Halt gemacht. Die Handelsbetriebe suchen händeringend Auszubildende und Fachpersonal. Lockdowns und Beschränkungen in der Pandemie führten zu Geschäftsschließungen und Unterbrechungen bei vielen Handelsbetrieben. Aus- und Weiterbildungen mussten unterbrochen werde, Abschlussprüfungen konnten nicht stattfinden. Das bekam auch die Fahrzeugakademie Schweinfurt stark zu spüren. Sie gilt als „die“ Instanz für Ausbildung und Weiterbildung in der Caravaning-Branche, weil nur sie spezielle Ausbildungsgänge für die Branche anbietet. Wir haben Matthias Dingfelder, Leiter der Fahrzeugakademie Schweinfurt, zur aktuellen Situation befragt.

Camper Professional: Herr Dingfelder können Sie uns die Arbeit der Akademie Schweinfurt kurz vorstellen?

Matthias Dingfelder: Die Fahrzeugakademie, eine Einrichtung der Handwerkskammer für Unterfranken, ist weit über Deutschland hinaus als innovatives Bildungszentrum bekannt. Der Fokus liegt auf Meisterkursen, optional in Kombination mit dem/der „Geprüften Betriebswirt/in (HwO), Schwerpunkt Fahrzeugwesen“. Mit dem besonderen Angebot für die Berufsbildung und der Spezialisierung auf fahrzeugtechnische Berufe ist die Ausrichtung der Fahrzeugakademie in Deutschland einzigartig. Das, was die Teilnehmende in der Akademie gelernt haben, sollen sie in ihren beruflichen Alltag transferieren und dort anwenden können und sich so zu angesehenen, gefragten Fach- und Führungskräften im Handwerk entwickeln. Zu den besonderen Leistungen zählt, dass die Meisterqualifikationen mit den Teilen I bis IV sowie Qualifikationen zum/zur Geprüften Betriebswirt/in (HwO)) zusammenhängend, branchenbezogen und durchgehend in einer Gruppe absolviert wird. Das breit gefächerte Angebot an Zertifizierungslehrgängen, Sachkundeschulungen und Seminaren wie beispielsweise Oldtimer-Restaurierung oder die Caravaning-Branche wird von Teilnehmern aus ganz Europa besucht. Zum Leistungsspektrum gehören auch überbetriebliche Lehrgänge für Auszubildende in Fahrzeugberufen.

Camper Professional: Zuerst einmal, hat sich die Situation in Schweinfurt wieder normalisiert?

Matthias Dingfelder: Ja, der Kursbetrieb läuft wieder auf Hochtouren, wie vor Corona.

Camper Professional: Können Sie die Auswirkungen der Pandemie auf die Aus- und Weiterbildungssituation schon abschätzen? Hat die Pandemie den Fachkräftemangel im Caravaning-Bereich verstärkt?

Matthias Dingfelder: Insgesamt hatten wir in den letzten Jahren vor Corona eine leichte Erholung bei den Lehrlingszahlen im Handwerk. Seit 2020 verringern sich die Ausbildungszahlen wieder. Absolut hat sich die Zahl der Lehrlinge deutschlandweit seit 2019 um 12.378 verringert. Allerdings gibt es in der relevanten Altersgruppe auch einen demographischen Rückgang. Zudem verläuft die Entwicklung sehr unterschiedlich. In manchen Branchen und Regionen sind die Lehrlingszahlen seit 2019 angestiegen. Es ist deshalb schwer zu sagen, welchen Einfluss die Pandemie auf die Ausbildungssituation hatte. Aufgrund des Anteils am Absatzboom in der Caravaning-Branche, der der Coronakrise zugeschrieben wird, hat sich eine deutliche Nachfrageerhöhung nach Servicedienstleitungen in der Branche ergeben. Damit verbunden ist eine gestiegener Personal- und Weiterbildungsbedarf.

Camper Professional: Was bietet die Fahrzeugakademie Schweinfurt besonders für den Bereich Reisemobil und Caravan an?

Matthias Dingfelder: Seit 1996 führen wir den Fortbildungslehrgang Fachkraft für Caravantechnik, mit staatlich anerkannter Prüfungsordnung, sehr erfolgreich durch, seit 2000 die Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten im Caravan und Reisemobil. Mit diesen beiden sehr praxisorientierten Weiterbildungsangeboten bekommen „Quereinsteiger“ die Möglichkeit sich die wichtigsten für den Caravan- und Reisemobilservice notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. Mit einem Ausnahmeantrag über den die örtliche Handwerkskammer im Einzelfall entscheidet, können die beiden Abschlüsse auch eine Eintragung in die Handwerksrolle ermöglichen. Dies ist wiederum die Voraussetzung für eine Werkstattleitung oder die Selbständigkeit. Zu erwähnen sind noch Elektronikseminare (Bus-Systeme), Strukturblech und bald auch G-607 Sachkundeschulungen in Kooperation mit dem Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugbau. Damit können Caravaning-Servicekräfte auch Spezialkenntnisse bei uns erwerben.

Camper Professional: Was hat ein Handelsbetrieb davon, wenn er seine Mitarbeiter auf eigene Kosten zur Aus- und Weiterbildung nach Schweinfurt schickt?

Matthias Dingfelder: Die Kurse bei uns sind kompakt und praxisorientiert und wir verfügen über eine bald 30-jährige Erfahrung in der Qualifikation von Servicefachkräften, die in der Caravan- und Reisemobilbranche tätig sind. Die Betriebe sparen sich dadurch Einarbeitungszeit und etliche Schulungen bei Herstellern und Zulieferern quer über die Republik verteilt. Wir achten auch sehr darauf, dass Servicekenntnisse und -fertigkeiten vermittelt werden, die direkt im Werkstattalltag umgesetzt werden können. Das führt unmittelbar zur Steigerung der Produktivität und des Ertrags.

Camper Professional: Der Herstellerverband CIVD und der Händlerverband DCHV werben mit neuen Berufsbildern um Fachkräftenachwuchs und weiterführende Qualifizierungen. Wie kann da die Fahrzeugakademie helfen?

Matthias Dingfelder: Für den neuen Ausbildungsberuf Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/in, Fachrichtung Caravan- und Reisemobiltechnik werden wir einer der Standorte für die überbetriebliche Ausbildung sein. Aufgrund unserer Erfahrung und Ausstattung sind wir unmittelbar in der Lage derartige Kurse anzubieten. Nachdem die neue Fachrichtung in der Berufsausbildung eingeführt wurde, wird es diese bald auch in der Meisterqualifikation geben. Deshalb werden wir ab 2025 auch Karosserie- und Fahrzeugbauer-/innen Meisterkurse mit dieser Fachrichtung anbieten.

Camper Professional: Die Fahrzeugakademie arbeitet seit langem mit dem Handelsverband DCHV erfolgreich zusammen. In Zusammenarbeit mit dem DCHV wurde nun der Ausbildungsgang „Servicekraft für Caravan und Reisemobil“ initiiert. Wer wird da angesprochen, was ist das Ausbildungsziel?

Matthias Dingfelder: Mit dieser Qualifikation haben wir bereits vor Corona begonnen, wurden dann aber durch die Pandemie ausgebremst. Neben unseren beiden Schlüsselfortbildungen Fachkraft für Caravantechnik und Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten im Caravan- und Reisemobil, bieten wir diesen zweiwöchigen, zeitversetzten Kurs für Branchenneulinge an, die noch keine Erfahrungen im Caravan- und Reisemobilservice besitzen.

Camper Professional: Wie kommt das neue Schulungsangebot an, wie ist die Resonanz in der Branche?

Matthias Dingfelder: Das Angebot wird sehr gut angenommen, da es derzeit viele „Einsteiger/innen“ in der Branche gibt. Die Betriebe sparen sich dadurch viel Aufwand für die Einarbeitung der neuen Kräfte. Teilweise ist aufgrund der Auftragslage gar keine Kapazität für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter vorhanden. Zudem profitieren die Betriebe auch hier wieder von unserer langen Erfahrung.

Camper Professional: Macht es Sinn, branchenfremde ausländische Fachkräfte, die nun verstärkt umworben werden, mit dem komprimierten Ausbildungsgang „Servicekraft für Caravan und Reisemobil“ in den Caravaning-Bereich zu holen?

Matthias Dingfelder: Ja, auf jeden Fall, wenn die Sprachkenntnisse ausreichen. Die Branche kann es sich gar nicht leisten diese Möglichkeit unversucht zu lassen.

Camper Professional: Herr Dingfelder, können Sie aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung abschätzen, wie sich der Bereich Fachkräfte in der Caravaning-Branche entwickeln wird?

Matthias Dingfelder: Selbst, wenn sich die Neufahrzeugverkäufe wieder auf ein gewohntes Maß reduzieren, sind inzwischen sehr viele Fahrzeuge im Gebrauch, diese werden in der Regel lange genutzt und mit steigendem Fahrzeugalter steigt auch der Servicebedarf. Dazu kommen die stark gestiegenen Ansprüche der Kunden, was die Ausstattung entspricht. Das beflügelt das Nachrüst- und Umbaugeschäft. Zudem gibt es einen wachsenden Markt für individuelle Lösungen. Das Ringen um Service-Fachkräfte wird sich deshalb in den nächsten Jahren fortsetzen.

Camper Professional: Was würden Sie und ihr Team dem Caravaning-Handel als Tipp mit auf den Weg geben, um die aktuelle Mitarbeiter-Situation zu bewältigen?

Matthias Dingfelder: Betreiben Sie gezielte, zeitgemäße Personalakquise und -entwicklung und beteiligen Sie Ihre Mitarbeitenden am Erfolg.

Camper Professional: Herr Dingfelder, abschließend eine private Frage, sind sie mobil mit Caravan oder Reisemobil im Urlaub unterwegs?

Matthias Dingfelder: Nein, aber bald wieder mit Zelt, in der Urform.

Handwerkskammer Unterfranken

Die Handwerkskammer Unterfranken besteht 2023 seit 123 Jahren.
1900 gegründet, baute die Handwerkskammer Unterfranken ihr Dienstleistungs- und Beratungsangebot stets kontinuierlich aus. Heute gehört sie zu einem der größten Bildungsträger der Region.
1952 legt die Handwerkskammer den Grundstein für ihr heutiges Bildungszentrum im Würzburger Stadtteil Zellerau.
1976 kann die Fertigstellung des Berufsbildungszentrums Aschaffenburg gefeiert werden.1987 wird das Berufsbildungszentrum Schweinfurt eingeweiht. Die Fahrzeugakademie öffnete ihre Pforten 1998.