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Schweiz

Schweizer Boom!

Nach drei aufeinanderfolgenden Jahren des Wachstums erlebte die Caravaningbranche in der Schweiz im Jahr 2021 noch einen zusätzlichen, spektakulären Aufschwung, die sie beim Verkauf von neuen Freizeitfahrzeugen zum viertgrößten Markt in Europa werden ließ.

Text Alessandro Rigatto

Der Schweizer Markt für Freizeitfahrzeuge verzeichnete im Jahr 2021 einen Spitzenwert von 8.457 verkauften Einheiten, davon 1.144 allein im März. Die rasante Entwicklung scheint auch dieses Jahr weiter zu gehen, denn im ersten Quartal wurden 2.064 neue Freizeitfahrzeuge zugelassen. Die Statistik beschreibt seit dem Jahr 2009 ein stetiges Wachstum, 1.575 Reisemobile wurden damals verkauft. Während in dieser Zeit der Wohnwagenmarkt nur leicht gewachsen ist, hat sich der Reisemobilmarkt fast versechsfacht. Ausnahmen sind nur zwei kleinere Rückgängen in den Jahren 2013 (-2,0 %) und 2018 (-1,1 %). Demgegenüber steht ein Anstieg von 36,1% im Jahr 2011, 19,7% im Jahr 2019, 25,8% 2020 und 26,4% 2021.
Laut Branchenkennern wie Christoph Hostettler, Präsident von Verband Caravaning Suisse, spielte die Covid-19-Pandemie eine wichtige Rolle bei der Verdoppelung des Umsatzes in den letzten drei Jahren. Sie hat viele Familien veranlasst, mit der Urlaubsform Caravaning im Urlaub die Sicherheit einer geschlossenen und gut kontrollierbaren Umgebung zum Essen und Schlafen zu wählen, statt in Hotels zu wohnen oder Ferienhäuser zu mieten. Der Schweizer Markt hatte sich bereits zwischen 2010 und 2016 verdoppelt, wobei sich die meisten Verkäufe auf den Zeitraum zwischen März und Juli, die Hauptferienzeit, konzentrierten.
Mit einer Bevölkerung von rund 8,5 Millionen Menschen wies die Schweiz 2021 das höchste Verhältnis zwischen dem Verkauf von Freizeitfahrzeugen und der Einwohnerzahl auf.
Die Zahl der Übernachtungen auf Schweizer Campingplätzen und die Gesamtzahl der Übernachtungen steigen kontinuierlich, aber nicht mit den beeindruckenden Prozentsätzen der Neuzulasungen von Wohnmobilen. Die genaueste Übernachtungs-Statistik gibt es vom Jahr 2020. Sie zeigt ein Wachstum von etwa drei Prozent im Vergleich zu den vorangegangenen drei Jahren, wobei die Schweizer Gäste im Vergleich zu den ausländischen Gästen deutlich überwiegen.
Die 396 Schweizer Campingplätze sind fast gleichmäßig über das ganze Land verteilt, wobei die Kantone Bern, Wallis, Graubünden und Waadt die größte Anzahl an Campingplätzen hat. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Übernachtung auf einem Campingplatz betrug bei den Schweizer Touristen 3,3 Tage gegenüber 2,7 Tagen bei den Ausländern (der Durchschnitt der niederländischen Besucher liegt sogar bei 3,5 Tagen, wie bei den Nachbarn aus Liechtenstein). Die Schweizer sind damals im Durchschnitt 3,5 Tage pro Aufenthalt geblieben und die blieben Ausländer 2,9 Tage pro Aufenthalt.
In den ersten neun Monaten des Jahres 2021 wurden mehr als fünf Millionen Übernachtungen auf Schweizer Campingplätzen gezählt, davon 20 % aus dem Ausland. Das sind eine Million Übernachtungen mehr als im gesamten Jahr 2020 und zwei Millionen mehr als 2017. Das bestätigt, dass die Lust am Campen in der Schweiz nicht nur an der Zunahme des Verkaufs von Freizeitfahrzeugen, sondern auch an der Anzahl der Übernachtungen auf dem Campingplatz gemessen wird. Was die verkauften Fahrzeugtypen betrifft, so scheint die Schweiz eher den Trends des europäischen Marktes zu entsprechen. So gibt es eine klare Hinwendung zum Wohnmobils, die 69,8 % der zwischen September 2020 und Juli 2021 getätigten Verkäufe ausmacht. Der EU-Durchschnitt in dieser Zeit liegt bei 48,1 %, 51,4 % auf dem deutschen und 50,8 % auf dem französischen Markt.
Nummer 1 der Verkäufe sind, wie europaweit, die Kastenwagenmobile in der Schweiz. Ein guter Grund dafür könnten die besseren Fahreigenschaften der aktuellen Basisfahrzeuge sein und die Tatsache, dass Kastenwagenausbauten handlicher und wendiger geworden sind und auch auf den Bergstraßen dieses Landes einfacher zu chauffieren sind.
An zweiter Stelle, mit 16,1% der Verkäufe in diesem Zeitraum, stehen die teilintegrierten Modelle, und an dritter Stelle die vollintegrierten Wohnmobile mit 5,9%, die vor allem von älteren und wohlhabenderen Kunden gekauft werden, die das Maximum an Platz und Komfort suchen. Der Anteil der Alkoven-Wohnmobile, die früher den Markt dominierten, beträgt nur noch 2,5%. Durch durch ihre beachtliche Höhe und den höheren Kraftstoffverbrauch erscheinen sie heute nicht mehr zeitgemäß. Zum Vergleich: Der Markt der Europäischen Union entspricht bei den Marktanteilen der Fahrzeugtypen etwa der schweizerischen Rangliste, die Prozentsätze weichen mit 48,1% für Kastenwagen, 33,8% für Teilintegrierte, 10,5% für Vollintegrierte und 4,1% für Alkovenmobile nur leicht ab.

Produktion und Verkauf
Wie bei der Autoproduktion ist die Schweiz auch bei der Produktion von Freizeitfahrzeugen nur marginal vertreten, was sie für die großen europäischen Hersteller zu einem interessanten Markt macht. Eine Ausnahme bilden einige – eher handwerkliche – Betriebe, die jeweils 10 bis 50 Einheiten pro Jahr herstellen, wie die Kaiser Motorhomes GmbH, die Tartaruga AG, die Yellowcamper AG und Maurer, die vor allem Premium-Reisemobile als Individualfahrzeuge mit entsprechendem Preis herstellen. Der slowenische Hersteller Adria ist das einzige Unternehmen der Reisemobilbranche, das mit einer nationalen Tochtergesellschaft, der Adria Mobil Schweiz GmbH, auf dem Schweizer Markt präsent ist. Seine Händler verkaufen nicht nur Neufahrzeuge an den Endkunden, sondern auch gebrauchte Modelle, die in der Regel sehr gut gewartet sind (dank der Strenge der periodischen technischen Überprüfungen in der Schweiz). Der Gebrauchtwagenmarkt bewegt sich daher auf einem sehr hohen Preisniveau.
Einer der aktivsten Händler ist Bantam Camping mit drei großen Verkaufsstellen in den Kantonen Bern, Waadt und Zürich, während in der italienischen Schweiz der Swiss Camper Store in Cadenazzo, zwischen Bellinzona und Locarno, bemerkenswert ist. Ebenfalls erwähnenswert ist die Ruchti AG in der Nähe von Thun im Kanton Bern, die einige der wichtigsten deutschen Marken vertreibt, während die Schweizer auf dem Online-Gebrauchtfahrzeugmarkt vor allem Caravan24.ch konsultieren, einen Marktplatz, auf dem man alles finden kann, vom T5 California mit 300.000 km Laufleistung bis zum 200.000 Franken teuren Wohnmobil mit null Kilometern. Der jährlich stattfindende Suisse Caravan Salon in Bern (27.-31. Oktober 2022) ist die einzige nationale Messe mit internationalem Rang dieser Art in der Schweiz, aber es gibt häufig lokale oder kantonale Veranstaltungen, die von den größeren Händlern organisiert werden.
Zum Abschluss dieses Überblicks über die Welt des Caravanings in der Schweiz noch ein paar rechtliche Besonderheiten: Generell ist das Campen nur auf offiziellen Campingplätzen und Reisemobilstellplätzen erlaubt, aber in einigen Gebieten wird das gelegentliche freie Campen für eine Nacht toleriert. Es ist jedoch besser, sich auf anerkannte Camping- und Stellplätze zu verlassen, auf denen man sein Mobil ver- und entsorgen und sich an den Strom anschließen kann. Dies ist vor allem in den kalten Wintermonaten in einem Land, das überwiegend aus Bergen besteht, sehr wichtig.

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