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Spanien

Spanischer Wohnmobilmarkt boomt

Nach Jahren, in denen das Caravaning in Spanien wenig Beachtung fand, ist das Phänomen Wohnmobil in jüngster Vergangenheit geradezu explodiert. Nach 9.000 Zulassungen im Jahr 2019 ist das Interesse trotz der Schwierigkeiten, die erst durch die Pandemie und dann durch die internationalen Krisen verursacht wurden, weiterhin groß

Text Marta Santamarina Linera

Auch wenn sich ganz Europa in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld befindet, bestätigt sich, Reisen mit dem Wohnmobil oder Van als „Mode“ und als ein Phänomen, das auch in Spanien im Trend liegt. Diese Art, Urlaub und Outdoor-Tourismus zu erleben, ist in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen und macht Spanien mittlerweile zum drittgrößten europäischen Markt mit dem höchsten Wohnwagenanteil (über 300.000 Einheiten) hinter Deutschland und Frankreich. Eine Urlaubsform, die in Spanien scheinbar eine große Zukunft hat.
Der Tourismus auf Rädern war in Spanien schon immer weit weniger entwickelt als in den großen europäischen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Frankreich. Aber in den letzten Jahren hat der spanische Markt aufgeholt. Im Jahr 2019 erreichten die Zulassungen mit einem historischen Anstieg ihren Höhepunkt. Von 2013 bis 2019 stieg der Verkauf von Reisemobilen um mehr als 347 Prozent. Damit ist Spanien das Land in Europa mit dem höchsten prozentualen Wachstum. Dann, im Jahr 2020 litt der Markt wie das übrige Europa unter den Folgen von Covid-19: Fast drei Monate Werksschließungen, Tausende von Mietbuchungen, die während der Osterferien und in den Frühlingsmonaten storniert wurden. Nach der daraus resultierenden Ungewissheit und der Angst um die Zukunft konnte der Campingsektor jedoch reagieren; die Camping-Anlagen wurden mit einem effizienten Gesundheitsprotokoll wieder geöffnet und das Jahr mit neuen Anmeldungen gerettet, die am Ende etwas niedriger ausfielen als 2019.
José Manuel Jurado, Präsident des spanischen Verbandes der Wohnwagenindustrie und des Wohnwagenhandels (ASEICAR), erklärte: “Im Jahr 2019 haben wir einen Rekord an Neuzulassungen (9.014 Einheiten) erreicht, mehr als 24 pro Tag. Aber die Pandemie kam und diese Entwicklung wurde kurzzeitig unterbrochen, auch wenn sie der Branche andererseits Tausende von Familien bescherte, die nie daran gedacht hatten, ihren Urlaub in einem Wohnmobil zu verbringen. Wir sind überzeugt, dass diese neuen Caravaning-Nutzer mit diesem Urlaub zufrieden sind. Damit ist der diese Art des Reisen endlich in Spanien angekommen und wird dort bleiben, weil er für viele Menschen zu einer Freizeitform und Lebensstil geworden ist”.
In der Tat wurden im Jahr 2020 und trotz Covid wieder fast 9.000 Wohnmobile und Wohnwagen registriert, so die Daten der ASEICAR. Außerdem hat die Pandemie die Reisegewohnheiten der Spanier definitiv verändert. Viele legen nun Wert auf Naturtourismus und die Freude an der Zeit im Freien, wie Verbands-Präsident Jurado mitteilte. Seit Mitte 2021 wirkt sich jedoch die Lieferkrise im Teilesektor auf die Produktion von Wohnmobilen und Wohnwagen aus. Das wiederum führte zu einer Kettenreaktion, die es den spanischen Händlern unmöglich machte, ein genaues Lieferdatum festzulegen, was auch zu einem unvorhersehbaren Anstieg der Endpreise von Fahrzeugen führte.
Mit anderen Worten, zum besten Zeitpunkt in der Geschichte der Branche in Spanien hat die weltweite Lieferkrise den Verkauf und damit die Zulassungen neuer Fahrzeuge blockiert, während das Interesse und die Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger gestiegen ist und stetig weiter steigt. Ende des vergangenen Jahres (2021) waren in Spanien 311.800 Freizeitfahrzeuge im Umlauf (231.000 Wohnwagen, 67.000 Wohnmobile und 13.000 Vans). Mit dieser Zahl ist Spanien nach Deutschland (530.000) und Frankreich (500.000) der drittgrößte europäische Markt mit einem Anteil von 7,77 % an Freizeit-Fahrzeugen in Europa (insgesamt 4.015.287).
Betrachtet man nur die Daten für das Jahr 2021, so zeigt sich eine leichte Erholung der Zulassungszahlen (7 % mehr als 2020), ohne jedoch das Niveau von 2019 zu erreichen. Betrachtet man die Entwicklungsgrafik der letzten neun Jahre, so kann man deutlich das anhaltende Wachstum der Branche von 2013 bis 2019, den Rückgang im Jahr 2020 und den leichten Anstieg im Jahr 2021 erkennen.
“Diese Daten zeigen uns, dass wir die durch die Covid-Beschränkungen verursachte Krise überwunden haben. Aber dass wir immer noch in der Krise der nötigen Komponenten stecken, ie nach den vorliegenden Daten des Automobil-Branche im Jahr 2022 sogar noch größer sein könnte”, sagt Jurado.
“Es gibt eine Nachfrage, die Vertrauen in die Zukunft schafft, aber es mangelt an Fahrzeugverfügbarkeit. Caravaning etabliert sich weiterhin als moderne und attraktive Urlaubsalternative in unserem Land, mit neuen Käufern in allen Altersgruppen. Der Mangel an neuen Fahrzeugen auf Lager und lange Lieferzeiten treiben jetzt viele dieser Käufer dazu, sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt umzusehen.
Nach acht aufeinanderfolgenden Monaten mit rückläufigen Zulassungen aufgrund des Fahrzeugmangels werden die Verkäufe in diesem Jahr auf das Level von Mitte 2021 zurückgehen. Und was noch schlimmer ist: Die Prognosen für 2023 lassen nicht darauf schließen, dass diese Situation besser wird.”

„Der Mangel an Lagerbeständen und die Verzögerungen bei den Auslieferungen verursachen große Probleme für unsere Unternehmen und Unannehmlichkeiten für die Kunden, die unter erheblichen Verzögerungen bei der Auslieferung ihrer Fahrzeuge leiden”, so der Präsident von ASEICAR weiter. “Wir sind zuversichtlich, dass diese Situation Schritt für Schritt gelöst wird und wir bald zur Normalität zurückkehren können. Im Moment haben wir eine große Nachfrage nach Fahrzeugen und allein das schafft Vertrauen in die Zukunft”.

Fahrzeuge, die Spanier bevorzugen
Seit fünf Jahren erstellt das Finanzunternehmen Cetelem (BNP Paribas Gruppe) in Zusammenarbeit mit ASEICAR und der spanischen Zeitschrift AutoC das “Caravaning Observatory in Spain”, um die Vorlieben der Spanier zum Zeitpunkt des Kaufs durch Umfragen über ihre Gewohnheiten zu ermitteln. Aus der letzten Ausgabe (März 2022) geht hervor, dass teilintegrierte Mobile der beliebteste Fahrzeugtyp ist, gefolgt von Integrierten und von Kastenwagen, und dass der Kauf von Stadtfahrzeugen (urban vehicles) zurückgegangen ist. Wenn es um den Kauf geht, ist die Marke ein wesentliches Element bei der Entscheidung von 93 % der Befragten, die auf der anderen Seite vor allem die Funktionalität, die Haltbarkeit und das innovative Design der Fahrzeuge schätzen. Was die Innenausstattung betrifft, so werden den Betten, der Toilette und dem Kühlschrank besondere Bedeutung beigemessen.
Bei der Wahl des Händlers schätzen die Käufer vor allem das Angebot eines guten Kundendienstes. Der ist sogar wichtiger als der Preis des Fahrzeugs. Dies ist nur der zweite Grund für die Wahl eines Händlers. Wichtig sind auch die Markenvielfalt des Händlers, die Zufriedenheit mit dem Fahrzeug (für diejenigen, die bereits ein Fahrzeug hatten), die Freundlichkeit der Verkäufer und die Lieferzeiten.

Ist Spanien bereit, so viele Camper aufzunehmen?
Ein weiteres „Symptom“ dieses fieberhaften Anstiegs sind die für Wohnmobile ausgewiesenen Stellplätze in Spanien. Im Vergleich zu den 180 Plätzen, die 2010 zur Verfügung standen, sind ein Jahrzehnt später etwa 1.100 Plätze verfügbar. Ein Anstieg von über 500 % in zehn Jahren! Aber eine Zahl, die immer noch nicht ausreicht, um alle spanischen und ausländischen Touristen zu bedienen. Nach Schätzungen der ASEICAR wären zwischen 2.000 und 2.500 Plätze erforderlich, um die derzeitige Nachfrage zu decken. In Europa gibt es derzeit 2,5 Millionen Wohnmobile, die ins Ausland reisen, in vielen Fällen nach Spanien, Portugal und Marokko. Der bestehende Mangel an Wohnmobil-Stellplätzen kann und führt oft zu unerwünschten sowie „improvisierten“ Fahrzeugkonzentrationen. Insbesondere nachts, an Orten, an denen das Parken nicht geregelt ist, und vor allem in den Sommermonaten, wenn schätzungsweise 150.000 Fahrzeuge (50.000 Spanier und 100.000 Ausländer) durch Spanien reisen.
Andererseits reicht auch die Zahl der spanischen Campingplätze (etwa 1.200) nicht aus, um diese Fahrzeuge unterzubringen. Viele sind nur im Sommer geöffnet. Aber die Camper sind das ganze Jahr über unterwegs. Darüber hinaus verfügen einige dieser Campingplätze nur über begrenzte Stellplätze für Wohnmobile. Ein großer Teil ihrer Fläche ist für Bungalows, Mobilheime, Dauercamper und Zelte reserviert.
Laut ASEICAR ziehen die spanischen Campingangebote vermehrt neue Touristen an. Sie schaffen wirtschaftliche Vorteile für die umliegenden Unternehmen und sie ermöglichen eine saisonale Erweiterung der Ferien, die sich nun auf das ganze Jahr und nicht nur auf den Sommer erstrecken. Wenn man beispielsweise für ganz Spanien eine durchschnittliche Reisedauer von 17 Tagen in einem Wohnmobil annimmt und 150 Euro pro Tag ausgibt, erhält man ein Umsatzvolumen von über 385 Millionen Euro. Dies ist ein bedeutender Wert für ein Land, welches das zweitbeliebteste Reiseziel der Welt ist und in dem der Tourismus die Haupteinnahmequelle darstellt.
Das Tourismusgeschäft in Spanien liegt in den Händen von insgesamt 17 Regionen. Von denen stehen einige der Entwicklung des Caravanings aufmerksamer gegen als andere: Regionen im Landesinneren oder weniger bevölkerte Regionen mit einem geringeren Tourismusaufkommen nehmen die Ankunft von Campern gut auf, während die Küstenregionen oft restriktiver ausgerichtet sind.

Historische Entwicklung

Mitte des 20. Jahrhunderts entstand in Europa eine eigenständige Industrie, um die Bedürfnisse der Reiselustigen zu befriedigen. Zu diesem Zeitpunkt begann der Verkauf der ersten Wohnwagen und Wohnmobile französischer, deutscher und italienischer Marken in Spanien. In den 1960er Jahren entstanden die ersten Wohnwagenfabriken wie Caravansa, Moncayo, Catusa, Tuset, Castellano, Almi oder Allosa, die heute allerdings nicht mehr existieren. Angesichts des Erfolgs wuchs im folgenden Jahrzehnt (1970er Jahre) die Zahl der Hersteller, wie Roller Ibérica in Barcelona, Hergo in Vitoria (Nordspanien) und Benimar in Castellón. In den folgenden 80er und 90er Jahren verschwanden viele dieser Marken, aber neue entstanden, wie zum Beispiel Ace Caravanas in Alicante (Mediterráneo).
Anfang der 70er Jahre, also später als in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien oder England, wurden die ersten Reisemobile in Spanien verkauft, obwohl es in Spanien damals noch nicht üblich mit einem Fahrzeug als rollendem Domizil in den Urlaub zu fahren. Es gab auch keine Industrie für die Produktion von Reisemobilen. Aber dann wagten sich verschiedene spanische Hersteller wie Moncayo, Benimar, Böos Viva / CNW, Sun Living, Joint, Ilusion und Ace, aus dem später Across Car wurde, doch sukzessive an die Serienproduktion von Reisemobilen. Derzeit produzieren nur Benimar (das zur französischen Gruppe Trigano gehört), Ilusion und Across Reisemobile in Spanien.
Was den spanischen Markt betrifft, so beginnen in den 90er Jahren, vor allem aber seit dem Jahr 2000 (trotz der Verlangsamung durch die Krise von 2008, die einen kontinuierlichen Rückgang der Wohnmobilzulassungen bis 2013 zur Folge hatte), das Ansehen und der Absatz von Wohnmobilen in Spanien zu wachsen. Zunehmend sehen die Menschen in Spanien den Outdoor-Tourismus als zukunftsträchtige Reisealternative. Ab 2014 stieg der Verkauf von neuen und gebrauchten Fahrzeugen Jahr für Jahr, allerdings mit Zahlen, die im Vergleich zum restlichen Europa noch sehr niedrig sind (1.460 neue Wohnmobile im Jahr 2014; 2.491 im Jahr 2015; 3.650 im Jahr 2016). 2017 zählt man dann 6.800 neu zugelassene Fahrzeuge. Diese Zahl steigerte sich im Jahr 2019 auf über 9.000 Einheiten.
Innerhalb eines Jahrzehnts wurde der Wohnwagen als meistverkauftes Freizeitfahrzeug rasant von Wohnmobilen und Vans überholt. Das Wohnmobil hat sich von einem Fahrzeug für “preiswertes” Reisen zu einem Luxusobjekt gewandelt, das immer mehr Menschen jeden Alters und jeder wirtschaftlichen Schicht ausprobieren wollen.
In den letzten zwei Jahren wurde das Caravaning-Fieber aufgrund des Mangels an Neufahrzeugen mit Gebrauchtwagen gelindert. Außerdem entstand das so genannte “Van-Phänomen”: Viele Menschen haben sich aufgrund des Mangels an Lagerbeständen, langer Lieferzeiten und wirtschaftlicher Beschränkungen von Wohnmobilen für das Camping mit kompakten Vans entschieden, um die moderne und faszinierende Urlaubsalternative zu genießen. Allerdings fahren auch viele unserer Landsleute ins europäische Ausland, um gebrauchte Fahrzeuge, die im Allgemeinen sehr alt und umweltschädlich sind, zu kaufen und zu importieren: Ein Risiko für eine Branche, die darum kämpft, eine Art des Reisens zu würdigen, die lange Zeit im Verborgenen geblieben ist.

Spanische Hersteller

Benimar
Die handwerkliche Produktion von Reisemobilen beginnt 1974. Im Jahr 1986 wird die Serienproduktion aufgenommen und 2002 wurde die Marke Teil der Trigano-Gruppe. Das Werk in Peníscola (Castellón, am Mittelmeer) verfügt über eine Fläche von über 130.000 Quadratmetern (derzeit im Ausbau) und eine Produktionskapazität von 4.000 Reisemobilen pro Jahr. Benimar ist seit 2009 Marktführer in Spanien und auf fünf Kontinenten mit insgesamt über 140 Händlern in 25 Ländern vertreten.

Panama Van
In dem Produktionsstandort, der an das Benimar-Werk angrenzt, wurde 2021 die Marke Panama geboren. Eine neue Marke für multifunktionale Camping-Vans der Trigano-Gruppe, die in dieser Saison ihr Angebot erweitert und bereits mit einem breiten Händlernetz in ganz Europa vertreten ist.

Ilusion
Seit 15 Jahren werden in der Provinz Zaragoza (Region Aragón, im Norden Spaniens) Reisemobile mit modernem Innen-Design und sportlich-elegantem Äußeren produziert. In dieser Saison präsentierte sie ihre erste Kollektion von integrierten Reisemobilen. Das Unternehmen ist mit einem Netz von Händlern in Spanien, Deutschland, Belgien, Italien, Norwegen, Neuseeland, Dänemark, Polen, Irland, den Niederlanden, Portugal, Slowenien, der Tschechischen Republik, der Schweiz und im Vereinigten Königreich vertreten.

Across Car
Aus der Technologie und dem Know-how des Herstellers Ace Caravanas in Aspe, Provinz Alicante (Mittelmeer), entstand im Jahr 2000 Across Car, das Wohnwagen und Wohnmobile nach Kundenwunsch herstellt und sich um deren individuelle Bedürfnisse kümmert. Das Unternehmen verfügt über 3.835 Quadratmeter überdachte und 4.524 Quadratmeter unbebaute Fläche für die Logistik, mit eigener Schreinerei, einer Montagelinie sowie einem Technik- und Designbüro.